Auswertung historischer Luftbilder aus Flurbereinigungsverfahren

Masterarbeit am ifp - Anne Rahn

Anne Rahn

Auswertung historischer Luftbilder aus Flurbereinigungsverfahren

Bearbeitungsdauer: 6 Monate
Abgabe: September 2021
Betreuer/in: Dr.-Ing. Michael Cramer, Dr.-Ing. Franziska Wild (Landratsamt Heilbronn)
Prüfer: Prof. Dr.-Ing. Norbert Haala


 

Motivation und Zielsetzung

In den Jahren von circa 1970 bis 1983 wurden in Baden-Württemberg etwa 142 Flurbereinigungen durchgeführt, in denen die Katasterphotogrammetrie zum Einsatz kam, davon waren 80 Rebflurbereinigungen. Dabei wurden geschätzt 6.000 bis 7.000 Vermessungspunkte des ehemaligen Polygon- und Liniennetzes und um die 80.000 bis 100.000 Grenzpunkte koordinatenmäßig in württembergischen oder badischen Soldnerkoordinaten festgelegt.

Diese historischen Koordinaten der Polygon- und Grenzpunkte müssen in das aktuelle Landeskoordinatensystem überführt werden. Aktuelle Landeskoordinaten werden für die anstehenden Arbeiten in den Rebflächen benötigt, z.B. für die Neuanlage von Wasserleitungen zur Bewässerung an den Wegrändern angelegt. Derartige Maßnahmen gefährden die Vermessungs- und Grenzpunkte, welche zum Teil bereits vor Ort verloren gegangen sind.

Um die Koordinaten der Grenzpunkte im aktuellen Landeskoordinatensystem zu erhalten, sollen diese photogrammetrisch aus den damals aufgenommenen noch vorliegenden historischen Luftbildern bestimmt werden. Damit kann auf die originalen Messdaten zurückgegriffen werden. Durch die Neubestimmung der Passpunkte in den aktuellen Landeskoordinaten werden damit alle Grenzpunkte im gültigen Koordinatensystem geliefert. Sonstige Koordinatentransformationen sind nicht notwendig.

Ziel dieser Arbeit war es festzustellen, wie diese historischen Luftbilder der damaligen Katasterbefliegungen mit einer aktuellen photogrammetrischen Auswerteprogrammen neu ausgewertet werden können. Verwendet wurde das Softwarepaket Trimble Inpho, insbesondere MATCH-AT und die Auswertesoftware ErdasImagine. Für die Analyse des Fehlerpotenzials stand der Referenzdatensatz Vaihingen/Enz aus dem Jahr 2008 zur Verfügung. Diese Ergebnisse sollten dann auf einen historischen Katasterblock im Flurbereinigungsgebiet Cleebronn aus dem Jahr 1978 übertragen werden. Damit werden dann auch die historischen Grenzpunkte in diesem Gebiet neu bestimmt.

Auswertung

Im ersten Teil der Auswertung wurde mit der Software von Inpho untersucht, welchen Einfluss mögliche Fehlerquellen bzw. Passpunktverteilungen auf die Auswertung eines photogrammetrischen Bildverbandes haben, der in seiner Konstellation den üblichen Katasterblöcken entspricht. Bei den Katasterblöcken handelt es sich in der Regel um einen einzelnen Bildflugstreifen auswirken, wo wie auch der Datensatz Cleebronn nur aus einem einzelnen Flugstreifen besteht. Neben Variationen in den Annahmen zur Kamerageometrie wurde auch der Einfluss von unterschiedlichen Pass- und Kontrollpunktkonstellation untersucht. Untersucht wurden die Verwendung von Selbstkalibrierungsparametern, die Passpunktanzahl und -verteilung und der Einfluss der Kamerakalibrierung.

Abbildung 1: Adaption des Datensatzes Cleebronn auf den Datensatz Vaihingen/Enz.

Dabei hat sich gezeigt, dass die Verwendung von Selbstkalibrierungsparametern je nach Projekt unterschiedlich zu bewerten ist, die Verwendung aber eine entscheidende Rolle für die Höhengenauigkeit spielen kann. Mit einer gitterförmigen Anordnung der Passpunkte konnte dann gezeigt werden, dass für einen Flugstreifen aus 6 Bildern mit einer Überdeckung von 60%, die Verwendung von 15 bis 20 Passpunkten ideal ist.

Im letzten Schritt der Untersuchungen am Datensatz Vaihingen/Enz wurde überprüft, wie sich die Verwendung eines falschen Kalibrierprotokolls auf die Auswertung auswirken kann. Untersuchungsgegenstand war hier, wie sich beispielsweise die Annahme einer falschen Brennweite auswirkt.

Tabelle 1: Auswirkung einer um 0,2 oder 0,5mm veränderten Brennweite im Datensatz Vaihingen/Enz für einen Block oder einen Flugstreifen mit einer Passpunktverteilung wie im Datensatz Cleebronn

An den Residuen der Kontrollpunkte und den maximalen Werten der Residuen in der Lage hat sich bei einer Veränderung der Brennweite kaum etwas verändert. In der Höhe traten ab einer Veränderung der Brennweite um 0,5 mm immer größere Fehler auf. Schon ab 0,2 mm Veränderung ließen sich kleinere Verschlechterungen feststellen. Für einen Streifen sind die Veränderungen deutlich geringer ausgefallen, als für einen Block aus mehreren Flugstreifen.

Muss ein zeitlich nicht passendes Kalibrierprotokoll einer bestimmten Kamera verwendet werden, ist jedoch mit kaum merklichen Verschlechterungen bei der Auswertung zu rechnen,  da die Veränderungen zwischen zwei Kalibrierungen derselben Kamera nur sehr gering sind.

Abschließend wurde dann die Adaption des Datensatzes Vaihingen/Enz auf den Datensatz Cleebronn in Inpho MATCH-AT und ErdasImagine untersucht.

Tabelle 2: Auswertung eines einzelnen Flugstreifens des Datensatzes Vaihingen/Enz mit einer Adaption auf den Datensatz Cleebronn

In beiden Softwarepakten konnte in der Lage die zulässige Abweichung von 8 cm, wie sie für das Kataster gefordert ist, eingehalten werden. In ErdasImagine standen maximal 12 Zusatzparameter zur Verfügung, mit denen die zulässige Abweichung bei 6 von 20 Kontrollpunkten in der Höhe nicht erreicht wurde.

Im zweiten Teil der Auswertung wurde dann der historische Luftbildflug Cleebronn ausgewertet. Größter Unterschied war hier die deutliche schlechtere radiometrische Qualität des historischen digitalisierten Bildmaterials und damit das genaue Messen der signalisierten Punkte.

Abbildung 3: Pass- und Grenzpunktverteilung im Datensatz Cleebronn
Tabelle 3: Auswertung des Datensatzes Cleebronn

Die zulässige Abweichung von 8 cm in der Lage wurde in beiden Softwarepaketen von den meisten Punkten eingehalten. In der Höhe haben sich jedoch in beiden Auswertungen deutliche Abweichungen gezeigt, wobei es bei der Katastervermessung naturgemäß vor allem auf die Genauigkeit der Lagekoordinaten ankommt.

In weiteren Gebieten, in denen die Katasterphotogrammetrie Anwendung fand, konnten bei einer Neuauswertung dieser Datensätze am Landratsamt Heilbronn die zulässige Abweichung in Lage und Höhe jedoch eingehalten werden. Der Datensatz Cleebronn musste somit als Sonderfall betrachtet werden, da es einen systematischen Fehler – die Richtung der Fehler ist abhängig von der Lage im Gebiet – in der Auswertung zu geben scheint.

Fazit

Die Landeskoordinaten von Grenzpunkten in historischen Luftbildern lassen sich photogrammetrisch innerhalb der zulässigen Abweichung von 8 cm bestimmen, wenn die möglichen Fehlerquellen berücksichtigt werden. Dennoch muss auch mit Sonderfällen wie dem Datensatz Cleebronn gerechnet werden.

 

 

Ansprechpartner

Dieses Bild zeigt Michael Cramer

Michael Cramer

Dr.-Ing.

Gruppenleiter Photogrammetrische Systeme

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