Qualitätsuntersuchung der Phase One iXM-MV150F Dokumentenkamera für die Luftbilddigitalisierung

Masterarbeit am ifp - Joachim Schulz

Joachim Schulz

Qualitätsuntersuchung der Phase One iXM-MV150F Dokumentenkamera für die Luftbilddigitalisierung

Dauer. 6 Monate
Fertigstellung: Juli 2021
Betreuer: Dr.-Ing. Michael Cramer
Prüfer: Prof. Dr.-Ing. Norbert Haala


 

Einführung

Die Digitalisierung historischer Luftbilder erfordert eine hohe geometrische Qualität, da die Geometrie der Originalbilder bestmöglich erhalten bleiben und durch den Scanprozess (fast) nicht beeinflusst werden sollte. Daher wurden die (historischen) photogrammetrischen Scanner sorgfältig entworfen und untersucht, um jegliche Art von Verzerrungen zu vermeiden. Die hier untersuchte Scan-Station auf Basis der Phase One iXM-MV150F Kamera stellt ein neues Konzept des Scannens dar, bei dem der Scan sofort mit nur einer Aufnahme gemacht wird. Dieses Konzept ist aus dem Dokumentenscanning bekannt, wurde aber in der photogrammetrischen Welt noch nicht umgesetzt. In diesem Beitrag wurde die geometrische Leistung einer solchen Scan-Station untersucht und mit herkömmlichen photogrammetrischen Scan-Lösungen verglichen.

Motivation

Photogrammetrische Produkte wie Luftbilder, prozessierte Orthophotos und extrahierte 3D-Informationen aus digitalen Bildern werden seit langem in vielen Disziplinen verwendet und gelten als wichtige Quelle für Geoinformationen. Amtliche Luftbilder werden größtenteils mit Auflösungen von weniger als einem Meter, meist im Dezimeterbereich, mit stereoskopischer Abdeckung und in regelmäßigen Zeitabständen aufgenommen. Darüber hinaus wurden weite Teile Deutschlands und Baden-Württembergs während und nach dem Zweiten Weltkrieg in Luftaufklärungsflügen erfasst. Historische Luftbilder stellen daher ein einzigartiges Kulturgut dar, um mit hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung Informationen über die Landbedeckung und Landnutzung im letzten Jahrhundert zu erhalten. Die digitale Verfügbarkeit historischer Daten ist immer noch eine große Hürde, da ein Großteil der Luftbilder nur in analoger Form gespeichert ist. Derzeit verfügen die Landesvermessungsämter der 16 Bundesländer in Deutschland über etwa 4,5 Millionen historische analoge photogrammetrische Luftbilder in ihren Archiven. Etwa die Hälfte davon ist derzeit nicht digitalisiert. Aus diesem Grund ist die Einbeziehung historischer Daten in aktuelle Forschungsprojekte mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden.

In Baden-Württemberg wurde, im Rahmen der Digitalisierungsstrategie "digital@bw" des Landes, das Projekt "Digitaler Luftbildatlas Baden-Württemberg" (DLBA) am Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg (LGL-BW) ins Leben gerufen, um große Teile der analogen Luftbildsammlung zu digitalisieren, vor altersbedingtem chemischen Zerfall zu schützen und zu historischen Orthofotos aufzubereiten. Im Rahmen dieses Projektes wurde in diese Scanstation investiert, um die analogen photogrammetrischen Aufnahmen effizient digitalisieren zu können. Weitere Informationen zum Projekt unter https://www.lgl-bw.de/unsere-themen/Geoinformation/Digitalisierungsstrategie/Digitaler-Luftbildatlas-BW/

In der folgenden Tabelle und Abbildung sind der Digitalisierungsstand und die wesentlichen technischen Spezifikationen dargestellt:

Tabelle 1: Technische Spezifikationen für die Digitalisierungsstation am LGL-BW
Abbildung 1: Digitalisierungsstand am LGL-BW für die Luftbilddigitalisierung

Untersuchungen

Ziel der Arbeit war eine empirische Untersuchung des Auflösungsvermögens und der geometrischen Genauigkeit der Digitalisierung. Für die Untersuchung des Auflösungsvermögens des Systems wurde eine Testfolie mit regelmäßig angeordneten Siemenssternen entwickelt, um die Modulationsübertragungsfunktion an gleichmäßig verteilten Stichpunkten zu messen und zu visualisieren. Die Auflösungsgrenze MTF10 wurde an 25 gleichmäßig verteilten Siemenssternen gemessen. Die realisierte Auflösung wurde anschließend berechnet und im Messbereich interpoliert (vgl. Abbildung 2). Mit der Methode konnte der signifikante Einfluss der Fokuseinstellung und Abweichungen der planparallelen Ausrichtung ermittelt werden.

Die geometrische Verzeichnung des Objektivs wurden anhand eines Kalibrierfeldes ermittelt und bestätigt die hohe Qualität des eingesetzten Rodenstock-Objektivs. Es wurde gezeigt, dass diese Kalibrierungsdaten sich nicht direkt auf den Digitalisierungsstand übertragen lassen. Gleichwohl liefert die Laborkalibrierung einen Vergleich der Objektive und einen Hinweis auf die Verzeichnung, die durch die Verwendung dieser Objektiv/Kamera-Kombination zu erwarten ist. Eine Kalibrierung der Scanstation und A-Priori-Verzeichnungskorrektur der digitalisierten Bilder wurden als zukünftige Arbeit angesetzt.

Abbildung 2: Beispiel des Auflösungsmusters bestehend aus 5x5 Siemenssternen.

Weiterhin wurden Untersuchungen zum Auflösungspotenzial und der Gesamtgenauigkeit an einem realen Luftbilddatensatz durchgeführt. Der analoge Referenzfilm des signalisierten Testfelds Vaihingen/Enz wurde erneut mit der Phase One Digitalisierungsstation digitalisiert (vgl. Tabelle 2), was einen direkten Vergleich mit traditionell gescannten digitalen Bildern des analogen Films ermöglichte. Anhand von Siemenssternen in Luftbildern wurde die räumliche Auflösung am Boden bestimmt und mit der geplanten Auflösung (GSD) verglichen (vgl. Abbildungen 3 & 4).

Tabelle 2: Scanparameter
Abbildung 3 (links): Z/I Imaging Photoscan 2001 - aufgelöstes Bodenpixel (GRD) in Bezug auf die Position des Siemenssterns im Luftbild. Die nominale GSD beträgt 8 cm.
Abbildung 4 (rechts): Phase One iXM-150F (achromatisch) - aufgelöster Bodenpixel (GRD) in Bezug auf die Position des Siemenssterns auf dem Luftbild. Die nominale GSD beträgt 13 cm.

Die Auswertung der Auflösung in den Luftbildern zeigte, dass die Leistung derzeit nicht an die eines photogrammetrischen Scanners heranreicht. Die räumliche Auflösung im digitalisierten Luftbild weicht deutlich von der nominellen Bodenauflösung ab. Digitalisiert mit der Dokumentenkamera weicht die GRD zwischen ∼ 70% und ∼ 90% von der GSD ab. Liegt der Siemensstern am Rande des Luftbildes, ist die tatsächliche Auflösung fast doppelt so groß wie es die GSD vermuten lässt. Im Vergleich weicht in den, mit dem photogrammetrischen Scanner digitalisierten Luftbildern, das aufgelöste Bodenpixel zwischen ∼ 30% und ∼ 55% ab.  

Einen Einblick in die geometrische Gesamtgenauigkeit der Digitalisierung lieferte ein Vergleich der Residuen von unabhängigen Kontrollpunkten nach einer Bündelblockausgleichung des Testfelds (vgl. Tabelle 3). Da das Testgelände Vaihingen/Enz mehr als 150 signalisierte und präzise koordinierte Bodenpunkte bietet, kann eine große Anzahl von Punkten als unabhängige Kontrollpunkte verwendet werden, um die Genauigkeit der 3D-Objektpunkte nach der Bündelausgleichung zu bewerten.

 

Tabelle 3: Genauigkeit der Bündelanpassung anhand der Residuen der Kontrollpunkte (KP).

Die Höhengenauigkeiten ließen deutlich erkennen welche Bündelblockausgleichungen nicht ausreichten, um die systematischen Fehler zu beschreiben. An der dominanten Abweichung der Höhenkoordinaten ist zu sehen, dass für beide Digitalisierungssysteme eine Ausgleichung ohne Zusatzparameter nicht ausreicht. Mit den 44 Zusatzparametern nach Grün, ließen sich auf das Bodenpixel bezogen, ähnlich genaue Ergebnisse realisieren. Mit einem Z/I Imaging Photoscan 2001 wurde eine ähnliche Genauigkeit mit den 12 Ebner-Parametern erreicht.

Fazit

Im Hinblick auf die wachsende Notwendigkeit, die analogen Luftbildarchive zu digitalisieren, besteht wieder ein Bedarf an geeigneten Digitalisierungsstrategien, die die große Menge an Luftbildern, effektiv und mit hoher Genauigkeit digitalisieren können.

Die Möglichkeit objektiv und an regelmäßig verteilten Stichpunkten das Auflösungsvermögen und die effektive Scanpixelgröße zu berechnen und als Interpolationsfläche zu visualisieren, zeigt das Potenzial der verwendeten Software und des Folienentwurfs, schnell und effektiv mögliche Fehleinstellungen der Kamera aufzudecken und die anschließende Justage zu überprüfen.

Die empirischen Untersuchungen zur geometrischen Auflösung und geometrischen Genauigkeit der eingesetzten Phase-One-Scanstation zeigten, dass die Leistungsfähigkeit eines speziellen photogrammetrischen Scanners mit der aktuellen Iteration dieses Systems jedoch noch nicht erreicht wird. Die geometrische Genauigkeit und insbesondere die Auflösung, die im analogen Bild vorhanden ist, aber während des Digitalisierungsschritts verloren geht, ist nur sehr schwer bis gar nicht wiederzugewinnen und ist ein allgemeines Problem bei allen Analog-Digital-Umwandlungen. Im speziellen Fall der Photogrammetrie sollten zusätzliche Artefakte, Verzerrungen und der Verlust an räumlicher Auflösung in der digitalen Masterkopie idealerweise so gering wie möglich gehalten werden.

Ansprechpartner

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Michael Cramer

Dr.-Ing.

Gruppenleiter Photogrammetrische Systeme

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