Analyse zweier Kameras für die UAS-Luftbilderfassung

Studienarbeit am ifp - Benedikt Leinss

Benedikt Leinss

Analyse zweier Kameras für die UAS-Luftbilderfassung

Dauer der Arbeit: 6 Monate
Abschluss: Juni 2014
Betreuer: Dr.-Ing. Michael Cramer
Prüfer: Prof. Dr.-Ing. Norbert Haala

Volltext: http://elib.uni-stuttgart.de/opus/volltexte/2014/9396/


 

Zusammenfassung

Die Arbeit befasst sich mit zwei Amateur-Kamerasystemen, welche in der photogrammetrischen Luftbilderfassung mithilfe von unbemannten Fluggeräten (sog. UAVs – unmanned aerial vehicles) zum Einsatz kommen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf einer vergleichenden Analyse der Bildqualität beider Kameras.

Einleitung und Motivation

Die Luftbilderfassung mit unbemannten Fluggeräten stellt eine kostengünstige und spannende Alternative zur bemannten Luftbildphotogrammetrie dar und gewinnt insbesondere bei der Erfassung kleinräumiger Gebiete zunehmend an Bedeutung. Das Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg führte daher 2012 in Zusammenarbeit mit dem Institut für Flugmechanik und Flugregelung (iFR) und dem Institut für Photogrammetrie (ifp) der Universität Stuttgart im Rahmen des Pilotprojekts „UAV@LGL“ zwei Befliegungen an den Felsengärten bei Hessigheim mit zwei unterschiedlichen UAV-Trägersystemen und Kameras durch, wobei das Potential der Datenerfassung mittels UAS (unmanned aerial system) am praktischen Beispiel analysiert werden sollte.

In vorherigen Befliegungen bei Vaihingen/Enz im Jahr 2011 zeigte sich, dass die vorhandene digitale Kompaktkamera Canon IXUS 100 IS keine ausreichend gute Bildqualität für spätere photogrammetrische Auswertungen liefert, da die Bilder vor allem Bewegungsunschärfen aufweisen.

Modifizierte Canon- Bildstabilisator-Linse
Abb. 1: Modifizierte Canon- Bildstabilisator-Linse

Umsetzung und empirische Untersuchungen

Zunächst galt es, das Optimum hinsichtlich der Bildqualität aus der vorhandenen Kamera herauszuholen und in der verbesserten Konfiguration beim ersten Flug einzusetzen. Hierzu wurde einerseits das in der Optik eingebaute Neutraldichtefilter durch Verwendung einer speziellen Firmware (Stereo Data Maker, SDM) deaktiviert, sodass kürzere Verschlusszeiten realisiert werden konnten. Andererseits wurde die Kamera hardwareseitig so modifiziert (Fixierung des eingebauten, beweglichen Lens-Shift-Bildstabilisators, siehe Abb. 1), sodass sich deutlich schärfere Bilder bei den Flügen ergaben. Dies konnte in einem Parallelflug mit einer nicht modifizierten und der modifizierten Kamera verifiziert werden, siehe Abb. 2.

Screenshot aus dem Video zum Vergleich von unmodifizierter und modifizierter Canon-Kamera
Abb. 2: Screenshot aus dem Video zum Vergleich von unmodifizierter und modifizierter Canon-Kamera

Nach einer Markterhebung unter Berücksichtigung photogrammetrischer Anforderungen sollte ein alternatives Kamerasystem empfohlen werden. Die angeschaffte digitale Systemkamera „Ricoh GXR Mount A12“ wurde in Kombination mit einem Zeiss-Objektiv (siehe Abb. 3) bei der zweiten Befliegung mit einem neuen Starrflügler eingesetzt. Zuvor musste die Kamera in dieses Trägersystem integriert werden, sodass sich die Kamera über den Bordrechner des Fluggeräts auslösen lässt. In mehreren Testreihen wurden dabei auch die Auslöseverzögerung und die Bildfolgezeit der Kamera ermittelt.

Canon- und Ricoh/Zeiss-Kamera
Abb. 3: Canon- und Ricoh/Zeiss-Kamera

Als Testmuster zur Analyse des geometrischen Auflösungsvermögens der Kameras diente ein 8 m großer Siemensstern, der bei beiden Befliegungen am Boden ausgelegt wurde.

Diese, aber auch weitere Bilddaten aus terrestrischen Untersuchungen mit Siemenssternen auf dem Campus der Universität Stuttgart, werden in einem Matlab-Programm ausgewertet, welches bereits am ifp zur Verfügung stand, jedoch insbesondere zum Zweck der Analyse mehrerer Siemenssterne in einem Bild erweitert und um Ausgabegrafiken ergänzt wurde.

Sowohl in der Bildmitte als auch am Bildrand zeigt sich die insgesamt höhere Auflösung der Ricoh/Zeiss-Kamera gegenüber der Canon-Kamera, siehe Abbildung 4.

Abb. 4: Variation des Auflösungsvermögens im Bildraum – berechnet aus Bilddaten der Befliegungen (MTF10-Werte in Linie/Pixel).
Abb. 4: Variation des Auflösungsvermögens im Bildraum – berechnet aus Bilddaten der Befliegungen (MTF10-Werte in Linie/Pixel).

Zudem wurden Tests hinsichtlich der radiometrischen Bildqualität (chromatische Aberration, Vignettierung, Farbtreue, Bildrauschen, Dynamikumfang) durchgeführt, teilweise im Testlabor der Firma „Image Engineering“ in Frechen bei Köln. Zusammenfassend sind in Tabelle 1 einige ausgewählte Maße für die Bildqualität der Kamerasysteme gegenübergestellt, welche die detaillierten Ergebnisse vereinfachend repräsentieren.

Tab. 1: Zusammengefasste Ergebnisse – Canon vs. Ricoh/Zeiss
  Canon Ricoh/Zeiss @ f/5.6
Max. radialsymm. Verzeichnung Δr (Px) 70 30
Max. Längenmessabweichung 3σ (mm) 0.194 0.122
RMS Bildpunktmessgenauigkeit (in % der Pixelgr.) 11 4.7
MTF10 Bildmitte (L/Px) 0.90 0.95
MTF50 Bildmitte (L/Px) 0.49 0.52
MTF10 Bildrand (L/Px) 0.55 0.73
MTF50 Bildrand (L/Px) 0.30 0.40
Laterale chromat. Aberration JPG (Px) 2.5 0.5
Laterale chromat. Aberration RAW (Px) 5.2 1.7
Farbabweichung ΔE 9 23.4
SNRtotal 31.18 67.98
Bildrauschen VNmax 3.4 1.7
Dynamikumfang DRtotal 12.07 12.44
Randabdunklung (Blendenstufen) 0.5 (Zipfel: 0.9) 0.75

 

Radialsymmetrische und tangentiale Verzeichnung sowie Bildpunktgenauigkeit und Längenmessabweichung wurden in photogrammetrischen Kamerakalibrierungen ermittelt, wobei die Ergebnisse in Tab. 1 aus Kalibrierläufen am ebenen Testfeld im ifp-Labor stammen. Die Ergebnisse der Kalibrierungen legen auch eine höhere Stabilität der Kamerageometrie des Ricoh/Zeiss-Systems im Vergleich zur Canon-Kamera nahe. Bis auf die Farbgenauigkeit und die Vignettierung schneidet die Ricoh/Zeiss-Systemkamera in allen Kategorien besser ab. Für die späteren photogrammetrischen Auswertungen ist neben der Stabilität der Kamerageometrie die mit den Kameras erreichte Bildqualität entscheidend, denn je geringer die Abbildungsfehler sind und je höher das Auflösungsvermögen ist, desto exakter kann die Zuordnung homologer Punkte in der photogrammetrischen Software erfolgen, d.h. desto besser ist die Punktmessgenauigkeit bzw. desto geringer das Punktrauschen auch der berechneten Objektpunkte im digitalen Oberflächenmodell.

 

Schlussbetrachtung

Die vorliegenden Resultate sprechen für eine insgesamt deutlich bessere Bildqualität des Ricoh/Zeiss-Kamerasystems gegenüber der Canon-Kompaktkamera. Das Potential der Bildqualität der Ricoh/Zeiss-Kamera ließe sich jedoch nur im RAW-Modus voll ausschöpfen, welcher bei den Befliegungen wegen des längeren Auslöseintervalls bislang nicht genutzt wurde. Zur abschließenden Einschätzung der Bildqualität der beiden Kameras erfolgt in der Ausarbeitung ein Vergleich zu professionellen Luftbildkameras, unter anderem zur mittelformatigen DigiCAM der Ingenieurgesellschaft für Interfaces mbH, welche hierzu ebenfalls einigen empirischen Tests unterzogen wurde. Hierbei konnten keine höheren Auflösungen als bei der Ricoh/Zeiss-Kamera bezogen auf die Pixelebene festgestellt werden. Vor allem der relative Randabfall des Auflösungsvermögens von etwa 50 % zwischen Bildmitte und Bildrand fällt bei der DigiCAM mit Blende 8 deutlich größer aus als bei der Ricoh/Zeiss-Kamera, die bei dieser Blende ein hohes Auflösungsvermögen über das gesamte Bildfeld aufweist. Bei der lateralen chromatischen Aberration und der Vignettierung  schneidet jedoch die DigiCAM etwas besser ab. Auch im Blick auf viele Kameras, die in kommerziell erhältlichen UAV-Systemen enthalten sind, erscheint das Ricoh/Zeiss-System hinsichtlich der Bildqualität ebenbürtig oder überlegen.

 

Ansprechpartner

Dieses Bild zeigt Michael Cramer

Michael Cramer

Dr.-Ing.

Gruppenleiter Photogrammetrische Systeme

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