Photogrammetrie und Laserscanning zur 3D Rekonstruktion und Visualisierung in der Höhlenforschung

Bachelorarbeit am ifp - Florian Josephowitz

Florian Josephowitz

Photogrammetrie und Laserscanning zur 3D Rekonstruktion und Visualisierung in der Höhlenforschung

Dauer der Arbeit: 4 Monate
Fertigstellung: April 2022
Betreuer und Prüfer: Dr.-Ing. Michael Cramer


 

Motivation

Zur Erfassung einer Eishöhle in den österreichischen Alpen werden die Verfahren Photogrammetrie und Laserscanning eingesetzt. Anforderungen an die Erfassung der Höhle ist die vollständige Repräsentation des Objektes zur Analyse und Dokumentation der Gestalt. Weiteres Ziel ist die Visualisierung der Höhle mit der Möglichkeit zur web-basierten interaktiven Betrachtung.

Angestrebt ist die Evaluation der Verfahren Photogrammetrie und Laserscanning für den mobilen Einsatz in der Höhlenumgebung. Für die Visualisierung geht es um eine effiziente Möglichkeit zur Darstellung der hochaufgelösten Produkte der Rekonstruktion.

Forschungsobjekt

Forschungsobjekt ist eine Eishöhle in den Österreicher Alpen, die Schneevulkanhalle. Der Eingang der Höhle liegt auf einer Höhe von etwa 1640 m ü.N.N., ein vereister Gang führ ins Innere. Die Halle hat etwa einem Durchmesser von 100 m und eine Höhe von 50 m. Die Halle besteht zu gemischten Teilen aus Gestein, Eis und Schnee, wobei der Boden mit Geröll bedeckt oder vereist ist. Bei maximalen Temperaturen von etwa 1° C - 2° C bleibt der Höhleninhalt das ganze Jahr größtenteils gefroren. Im tiefsten Teil der Höhle befindet sich, je nach klimatischen Bedingungen, ein See aus Schmelzwasser. Innerhalb der Höhle befinden sich mehrere markante, säulenartige Eisformationen.

Abbildung 1 - Innenansicht der Eishöhle

Datenerfassung

 Für die Vermessung der Höhle kommt eine Spiegellose Systemkamera und ein handheld-Laserscanner zum Einsatz. Die Vollformatkamera verfügt über eine Auflösung von 24 Mpix mit einer Pixelgröße von 5,9 µm. Als Objektiv verwendet wird ein 28mm Objektiv mit fester Brennweite und einer Offenblende von f/2.8. Als Laserscanner dient ein tragbarer Scanner, der anhand des SLAM-Prinzips aufzeichnet (Simultaneous Localisation and Mapping). Er arbeitet bei einer Wellenlänge von 903nm (nahes Infrarot). Die Messfrequenz beträgt 300 tsd. Punkte pro Sekunde bei einer maximalen Reichweite von 100m. Als Genauigkeit des Scanning-Systems werden vom Hersteller 3-5 cm angegeben.

Abbildung 2 - Verwendete Messinstrumente

Die photogrammetrische Datenerfassung umfasst verschiedene Aufnahmestandpunkte, um die gesamte Höhle in Kamerabildern abzudecken. Verschiedene Aufnahmeentfernungen und Blickwinkel sind hier wichtig, um eine hohe Parallaxe und Überdeckung der Aufnahmen zu gewährleisten. Die Erfassung mithilfe des mobilen Scanners wird durch einen geeigneten Fußweg durch die Höhle realisiert. Der rotierende Scanner erfasst Objektpunkte automatisiert, auch während der Bewegung.

Die Anwendung von Photogrammetrie und Laserscanning in der Höhlenumgebung stellt spezielle Herausforderungen an beide Verfahren. Die Materialeigenschaften und damit die Reflektion von Licht innerhalb der Höhle hat einen Einfluss auf beide Verfahren. Spiegelnde oder transparente Flächen wie klares Eis oder Wasser führen zu Fehlreflexionen sowohl in der Photogrammetrie als auch dem Laserscanning. Strukturarme Oberflächen sind für die Rekonstruktion in der Photogrammetrie ein Problem, die eindringtiefe des Lasers in Schneeflächen stellt für das Laserscanning eine Herausforderung dar. Die komplette Finsternis in der Höhle erfordert für die Photogrammetrie den Einsatz von guter Beleuchtung und lichtstarker Bildsensorik. Hierbei ist eine homogene und diffuse Ausleuchtung der gesamten Höhle wichtig, um eine gute Merkmalsdetektion bei der Auswertung zu gewährleisten.

Auswertung

Aufgenommen wurden 613 Bilder und 3 vollständige Scans der Höhle. Davon können im weiteren Verlauf der Auswertung 437/613 Bildern und der erste Scan aus dem Laserscanner ausgewertet werden.

Abbildung 3 - Übersicht der Auswertemethodik

Die Auswertung der Messungen basiert auf der Kombination der Bildbasierten und der Laserbasierten Daten. Beide Verfahren, werden getrennt bis zur Erzeugung einer dichten Punktwolke ausgewertet und dann auf Ebene der Punktwolken kombiniert. Das Endprodukt kann durch den Laserscan metrisch skaliert werden, die Textur wird mithilfe der Bilder erzeugt. Zusätzlich wird die Vollständigkeit durch die Kombination der unterschiedlichen Verfahren erhöht. Endprodukt ist ein vermaschtes Polygonmodell (Mesh) der Höhle. Die Kombination der Punktwolken erfolgt durch eine Feinregistrierung mithilfe eines ICP-Algorithmus (Iterativ Closest Point).

Abbildung 4 - Registrierung der Punktwolken durch den ICP-Algorithmus

Das kombinierte Modell bietet die beiden Verfahren die vollständigste Repräsentation der Höhle. Gleichzeitig kommt es durch die Verknüpfung der Daten zu einigen Fehlzuordnungen die im Endprodukt als Artefakte sichtbar sind. Die Textur konnte vollständig zugeordnet werden, das Modell ist bis auf klare Eis- und Wasserflächen vollständig. Mithilfe des maßstäblich skalierten Modells konnten geometrische Analysen wie die Berechnung der Oberfläche oder des Raumvolumens durchgeführt werden.

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Visualisierung

Die online Visualisierung der Rekonstruktion kann auf verschiedene Arten realisiert werden. Unterschied macht dabei, ob es sich um eine statische Repräsentation der Daten oder um eine interaktive Repräsentation handelt. Eine statische Repräsentation beispielsweise lässt sich einfach in einer online Umgebung einbetten, bietet aber nur eine begrenzte Ansicht des Objektes. Bei einer interaktiven Präsentation sollte es dem Nutzer möglich sein, die Eigenschaften der rekonstruierten Höhle selbständig zu erkunden. Die erfordert eine deutlich größere Bandbreite für den Datenstrom. Für beide Varianten konnte mehrere Anbieter und Softwarepakete evaluiert werden.

Abbildung 5 - Rendering aus einer 3D Software (Blender v2.8)

In der open-source Software Blender lassen sich hochaufgelöste Standbilder und Animation berechnen. Dabei bietet Animationssoftware allgemein die Möglichkeit Textur, Materialeigenschaften und Lichtbrechungen zu beeinflussen.

Die interaktive Repräsentation der Daten wurde mithilfe der Online-Plattform Cesium ION realisiert (siehe Abschnitt „Auswertung“). Der Dienst bietet eine Darstellung großer Datenmengen durch eine online-Speicherung von Modellen und Punktwolken in sogenannten 3D-Tiles. Diese Dateistruktur ermöglicht eine nach Genauigkeit abgestufte Darstellung und somit schnelle Ladezeiten bei beschränkter Bandbreite.

Fazit

Die Rekonstruktion der Schneevulkanhalle kann mit einer Genauigkeit im Bereich besser 10 cm abgeschlossen werden. Die Registrierten Punktwolken weißen eine Abweichung von unter 7cm für 90% der Punkte auf. Der durchschnittliche Rückprojektionsfehler der photogrammetrischen Rekonstruktion beträgt 1,04 pix.

Die Kombination der beiden Verfahren im Kontext der Höhlenforschung bietet eine geeignete Möglichkeit zur Erfassung der Schneevulkanhalle. Der Einsatz von Blitzen zur Beleuchtung und dem SLAM-basierten Scanner zur Erfassung metrischer Koordinaten stellt eine effiziente und effektive Methode zur mobilen Kartierung in der Höhlenforschung dar. Werden material- und beleuchtungsbedingte Effekte beachtet lassen sich brauchbare Ergebnisse erzielen.

Für die interaktive Repräsentation der Daten bietet die Online Plattform Cesium ION optimale Lösung, da sich das generierte 3D-Mesh und die Punktwolken hier effizient und in sehr hoher Auflösung online darstellen lassen. Darüber hinaus ist die Kamerabewegung und Darstellung codebasiert inividualisierbar.

Ausgewählte Literatur

Pukanská, K., Bartoš, K., Bella, P., Gašinec, J., Blistan, P., & Kovanič, Ľ. (2020). Surveying and High-Resolution Topography of the Ochtiná Aragonite Cave Based on TLS and Digital Photogrammetry. Applied Sciences10(13), 4633. MDPI AG. Retrieved from http://dx.doi.org/10.3390/app10134633

Idrees, M. & Pradhan, B. (2016). A decade of modern cave surveying with terrestrial laser scanning: A review of sensors, method and application development. International Journal of Speleology. 45. 71-88. Retrieved from http://dx.doi.org/10.5038/1827-806X.45.1.1923

Milius, J., & Petters, C. (2012). Eisriesenwelt - From Laser Scanning to Photo- Realistic 3D Model of the Biggest Ice Cave on Earth. GI_Forum 2012: Geovizualisation, Society and Learning. S.513-523. Herbert Wichmann Verlag, VDE VERLAG GMBH, Berlin/Offenbach. ISBN 978-3-87907-521-8

Ansprechpartner

Dieses Bild zeigt Michael Cramer

Michael Cramer

Dr.-Ing.

Gruppenleiter Photogrammetrische Systeme

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